Dresdner Künstlerpuppen
von Helmut Dorschner

Die Erfinderin oder besser Schöpferin dieser speziellen „Dresdner Puppen“ war Irmgard Bahmann (1896 - 1986) in Dresden - Loschwitz.

Die Herstellung der Puppen
Die Puppen wurden in Heimarbeit hergestellt. Die dabei angewendete Technik des Modellierens der Puppenköpfe aus Stoff war spätestens seit 1931 durch die "Original Strippel Handpuppen" von Grete Ludwig - Strippel aus Dresden – wahrscheinlich aber auch schon früher – bekannt und wird im Folgenden für die „Dresdner Künstlerpuppen“ beschrieben:
Als wichtigste Ausgangsmaterialien werden ein gut dehnbaren Stoff – z. B. Trikot, angeraut – und geeignete Watte benötigt.
In zwei, mit den angerauten Seiten innen, aufeinander gelegte Stoffplatten werden mittels Schablonen Kopfformen als Profil genäht. Es entsteht die charakteristische Mittelnaht der Köpfe.
Diese Profile werden ausgeschnitten. Das „untere“ Ende – der Hals – bleibt offen, so das ein Umstülpen möglich wird. Der vorgeformte Kopf wird mit geeigneter Watte ausgestopft und in den Hals wird eine Hülse aus Pappe eingenäht. In diese Hülse steckt dann der Puppenspieler einen Finger, um den Kopf zu bewegen. Der Rohling ist jetzt fertig und es beginnt die kunsthandwerkliche Serienproduktion.
Die angeraute Seite ist jetzt außen. Mit Nadel und einem sehr festen „Ziehgarn“ wird nun im Kopf „herumgenäht“ und gezogen um die erforderlichen Gesichtsmerkmale Wangen, Nase, Augenhöhlen, Kinn usw. zu gestalten. Die Nadel kommt dabei immer wieder an den noch - nicht vorhandenen – „Ohren“ heraus, die später diese Stellen abdecken. Augen, Augenbrauen, Mund und Nasenlöcher werden mit Stick – Twist eingestickt.
Danach werden Augenperlen als Pupille, Wangen, Lidschatten, Sommersprossen u. Ä. gestickt oder angemalt. Bärte und Perücken werden bei Bedarf angenäht oder angeklebt.
Ohren werden auch in der eingangs genannten Technik gesondert hergestellt und später wie oben erwähnt an der zentralen Näh- und Ziehstelle angenäht.
Als Oberflächenschutz und Versiegelung der Farbgestaltung wird zuletzt der ganze Kopf mit einem farblosen Leim eingestrichen.
Zum Kopf gehörige Hüte oder Kappen werden meistens aus Filz hergestellt und ebenfalls angenäht.
Als Letztes wird das von einer Näherin auch in Heimarbeit gefertigte „Kleid“ von der Puppenkopfgestalterin am Hals angenäht.
Jede Puppengestalterin – Männer gab es nicht -  erhielt nach entsprechender Ausbildung im Betrieb oder auch bei einer erfahrenen, gut qualifizierten Kollegin zu Hause Bahmann`sche Musterköpfe, die möglichst genau nachgestaltet werden mussten. Die Qualität wurde bei der Abgabe der Köpfe genau geprüft. „Fehler“ mussten wieder nach Hause wandern und nachgearbeitet oder neu angefertigt werden.

Die Schöpferin der „Dresdner Künstlerpuppen“
Irmgard Bahman wurde am 9. Januar 1896 geboren. Ihr Vater war Julius Albert Moritz Bahmann, Transportdirektor an der Sächsischen Staatseisenbahn und Bahnbevollmächtigter für Militär - Angelegenheiten (geschätzt 1856 - 1936). Im Dresdner Adressbuch von 1920 sind unter seinem Namen 14 hohe militärische und zivile Orden aus verschiedenen deutschen und anderen Ländern eingetragen.
Bis zum 13. Februar 1945 wohnte Irmgard Bahmann in der heute nicht mehr existierenden, 1945 völlig zerstörten Ostbahnstraße im Haus Nr. 25 an der Ecke zur Franklinstraße nahe Wiener Straße, unmittelbar an der Eisenbahntrasse Richtung Osten. Als Berufsbezeichnung ist Pianistin angegeben. Die Mutter ist wahrscheinlich 1939 gestorben.
Nach der völligen Zerstörung ihres Wohngebietes und dem Totalverlust allen Eigentums am 13. Februar 1945 war Irmgard Bahmann in Dresden – Loschwitz Calberlastraße 9 in einer kleinen Mansardenwohnung zu Hause und musste „ein neues Leben“ beginnen.
Heidi Brix, die Tochter des späteren Firmengründers Curt Meißner (1899 - 1979), schreibt 1998, dass „Fräulein Irmgard Bahmann … wenig über sich und die Zeit vor dem Angriff auf Dresden …“ gesprochen hat.
Bahmanns waren sicher reiche Leute und Irmgard war so traumatisiert, dass sie über ihre gute Vergangenheit nicht sprechen konnte und wollte.
Sie hatte in Loschwitz ihren Lebensmut wieder gefunden. Sie engagierte sich vielseitig für Kinder, z. B. nähte sie Faschingskostüme und gab Klavierunterricht.
Im April 1986 starb sie im Krankenhaus Dresden Weißer Hirsch.

Entstehung und Produktion der „Dresdner Künstlerpuppen“
Weihnachten 1945 kam Irmgard Bahmann über Puppen, die sie für Kinder aus seidenen Damenstrümpfen mit Watte ausgestopft hatte, mit der Familie Meißner in Kontakt. Sie wurde Tante „i“ genannt, was später das Markenzeichen werden sollte.
Curt Meißner, Direktor der Zeiss – Ikon Werke in Dresden, erkannte den künstlerischen Wert der Puppen und den Bedarf an Spielzeug im zerstörten Dresden, so dass sie gemeinsam den Betrieb „ i – Künstlerpuppen Curt Meißner“ gründeten. Curt Meißner ging nun „mit dem Rucksack übers Land, besorgte alte Fallschirme … Wattereste … aus Steppdeckenfabriken“ Der Betrieb entwickelte sich sehr gut. Es wurden bis zu 100 Mitarbeiterinnen eingestellt und alle großen Messen besucht.
1972 wurde der Betrieb enteignet und „VEB Dresdner Künstlerpuppe“ genannt. Curt Meißner blieb als Betriebsdirektor.
Curt Meißner verkraftete diese Enteignung nicht, erkrankte schwer und verließ 1974 den Betrieb. Er starb am 4. Oktober 1979.
Da die Puppen vorwiegend für „harte“ Devisen in das westliche Ausland exportiert werden mussten, gehörten die Dresdner Künstlerpuppen in der DDR zur sogenannten „Bückware“ die unsichtbar „unter dem Ladentisch“ lag.
Dafür erhielt der Betrieb noch 1989 eine staatliche Auszeichnung für "Traditionspflege" des Kunsthandwerkerverbandes "expertic" der DDR.
Nach der politischen Wende 1989 stornierten die westlichen Kunden alle Verträge. 1991 wurde der Betrieb als GmbH wieder aufgenommen.
Heute werden Dresdner Künstlerpuppen, da sie keinen Marken – Rechtsschutz haben, noch in selbständiger Arbeit von ehemaligen Mitarbeiterinnen hergestellt, weiter entwickelt und auch im Internet angeboten.

Ein weiterer Loschwitzer Handpuppengestalter und ehemaliger Ostbahnstraßenbewohner (Nr. 1a) war der Maler Otto Griebel (1895 – 1972).

Literatur/Quellen
● Brix, Heidi, Frohse, Jürgen, Tante "i" und die Dresdner Künstlerpuppen, Elbhang - Kurier, Dresden, 1998 Nr.12 S.3
● Adressbücher von Dresden, bis 1944, digitalisiert: Sächsische Landesbibliothek -Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)
● http://www.handpuppen.grossekunst.de/
● Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung
● Griebel, Otto, Ich war ein Mann der Straße, DZA Verlag ,Altenburg 1995

Autor: Helmut Dorschner     Dresdner Künstlerpuppen – Irmgard Bahmann           12. Dez. 2013